Venedig, Stadt in der Lagune, seit Jahrhunderten wird ihr Untergang prophezeit, dennoch, wie zum Trotz, existiert sie noch und ihre Attraktivität ist ungebrochen. 30 Millionen Besucher in 2011 (3x mehr als in Rom) können nicht irren, auch wenn viele dieser Touristen nicht mehr sehen als den Markusplatz mit seinen umliegenden Straßen und Gassen, ist doch die Zeit bei einem Tagesausflug zu kurz um einzutauchen in das einzigartige Universum Venedig, daß, abseits der Besucherströme, ein ganz eigenes Leben führt. Begleiten Sie mich, immer entlang der Kanäle, meist zu Fuß, gerne auch mit den öffentlichen Booten, und machen sie sich Ihr eigenes Bild.

Wir nähern uns mit dem Linienboot dem Herz der Stadt, dem Markusplatz, im Morgendunst von der Insel Lido di Venezia aus.

Linker Hand, dem Markusplatz gegenüber, liegt die Klosterinsel San Giorgio Maggiore mit ihrer Kirche, der Abtei und dem herrlichen Glockenturm, der einen wunderbaren Ausblick auf das Stadtzentrum bietet.

An Steuerbord der Markusplatz mit dem frisch renovierten Dogenpalast und dem Campanile, dem freistehenden Glockenturm des Markusdoms. Mit knapp 100 Metern ist er das höchste Gebäude Venedigs. Der Ursprung des Turms geht bis in das 9. Jahrhundert zurück. Viele Änderungs- und Restaurierungsarbeiten hat er über sich ergehen lassen müssen, am 14. Juli 1902 ist der Turm bei den vorbereitenden Arbeiten zum Einbau eines Fahrstuhls eingestürzt. 10 Jahre später wurde der originalgetreu wiederhergestellte Turm erneut eingeweiht. Das Fundament aus in den Boden gerammten Baumstämmen war nach 1000 Jahren noch gut zu gebrauchen und mußte lediglich verstärkt werden. Heute kann man mit dem Aufzug in sekundenschnelle die Glockenebene erreichen und den wunderbaren Ausblick genießen.

Wir lassen den Markusplatz rechts liegen und fahren auch an der Einfahrt zum Canal Grande vorbei, die sich hinter dem mit einer gigantischen Weltkugel gekrönten Punta della Dogana befindet und fahren den Canale della Giudecca entlang in Richtung des Bahnhofs der auf den schönen Namen Santa Lucia hört.

Die Stadt Venedig unteilt sich in 6 Stadtbezirke, Sestiere ("Sechstel") genannt. Der Uferweg des Sestiere Dorsoduro, entlang des Canale della Giudecca, ist von zahlreichen Anlegestellen für öffentliche und private Boote gesäumt. Die breite Wasserstraße zwischen Venedig und der Insel Giudecca wird auch von den riesigen Kreuzfahrtschiffen befahren, die Venedig immer häufiger anlaufen und die in der Stazione Marittima, in Bahnhofsnähe, ihren Liegeplatz finden.

Die großen Kreuzfahrtschiffe sind Fluch und Segen zugleich, bringen sie doch auf einen Schlag viele Tausend Touristen gleichzeitig in die Stadt. Das freut die Geschäftsleute und das Dienstleistungsgewerbe, aber für solche Menschenmassen, die zusätzlich zu den zahlreichen Besuchern die täglich mit Bussen, Eisenbahn und Flugzeug anreisen, ist Venedig nicht ausgelegt. Zwar waren die Straßen und Plätze schon vor 500 Jahren mit Menschen aus aller Herren Länder reich gefüllt, aber heute geht an den touristisch stark frequentierten Orten wie Markusplatz, Rialtobrücke und dem Riva degli Schiavoni auf Höhe der Seufzerbrücke oft nichts mehr. Das Schöne an Venedig ist aber, daß man nur in 1-2 Seitenstraßen abbiegen muß und schon befindet man sich völlig abseits vom Trubel und Lärm der Hauptachsen. Hier trifft man auch wieder auf Einheimische, die die Seitenstraßen und Gassen wie Geheimwege nutzen.

Das größte Segelschiff der Welt, die "Wind Surf", mit ihren 5 bis zu 50 Meter hohen Masten, lag auch gerade vor Ort, um mit exclusiver Kundschaft in der Adria zu kreuzen.

In Venedig kommt und geht wirklich alles per Boot. DHL macht da keine Ausnahme. In der Nähe des Bahnhofs wird auf die Lieferkähne umgeladen.

Wir verlassen das Vaporetto, das öffentliche Boot, am Bahnhof und folgen der Hauptstraße, Rio Terà Lista de Spagna, in das Gewirr der Straßen, Gassen und Kanäle. Dabei mache ich, was man in Venedig unbedingt machen sollte, ich nenne es "planvoll verlaufen". Ich suche mir einen Bereich innerhalb eines Stadtviertels aus und verlasse die Hauptstraße möglichst bald und biege in kleine und kleinste Gäßchen ab und laufe und schaue und gelange auf Straßen, an Kanäle und Plätze, welche die wenigstens Touristen zu sehen bekommen. Folgen Sie mir und haben Sie keine Angst, irgendwann kommt man immer wieder in die bekannten Ecken der Stadt. Gefährlich ist es auch nicht, es sei denn man paßt beim rumlaufen und fotografieren nicht auf, tritt daneben und fällt in einen Kanal. Das habe ich in der Nähe des Arsenale erlebt. Während ich einige Fotos von den imposanten Löwenstatuen gemacht habe platscht es hinter mir ganz gewaltig. Ein Besucher war, auf der Suche nach einem exclusiven Fotostandort, auf eine von Wasser umspülte Marmortreppe getreten, die ihn, von Algen rutschig, gleich ins Wasser befördert hat. Kommentar seiner Frau: "David, why do you do that?"

Wer entdeckt Venedigs einziges McDonalds, welches hier ohne große Leuchtreklame auskommen muß?

Keine lärmenden Autos, keine nervigen Radfahrer, selbst ich als leidenschaftlicher Autofahrer empfinde die totale Abwesenheit jeglicher Fahrzeuge als äußert wohltuend. Plötzlich hört man wieder die Schritte auf dem Pflaster, das Gezänk der Spatzen, Gespräche auf der Straße, das Palaver an den Marktständen. In unserer motorisierten Welt haben wir eine Menge Lebensqualität dem Individualverkehr geopfert. Lebte ich in Venedig würde meine Autos nicht vermissen.

Wo viele Touristen flanieren wird auch viel kitschiges Souvenirgedöns verkauft. Erwerben möchte ich es nicht, aber ein farbenfrohes Fotomotiv ist es allemal. Am Rande sei auf die "4191 " hingewiesen, die zum einzigartigen Hausnummerierungssystem in Venedig gehört. Hier sind nicht die einzelnen Straßen, sondern innerhalb eines Stadtviertels alle Häuser durchnummeriert. Das macht die Suche nach einer bestimmten Adresse nicht einfacher. Die Postboten scheinen die einzigen Menschen zu sein, die das System vollständig durchblicken, zumindest in "ihrem" Stadtviertel.

Wenn man die internationale Hammelherde leid ist, dann heißt es "abbiegen" und in das Labyrinth der Seitengassen eintauchen. Schon ist wieder Ruhe.

Dieser "Marmorpott", den man an vielen Stellen in Venedig findet, hat über Jahrhunderte das Überleben der Stadt gesichert. Es handelt sich um eine Entnahmestelle für Süßwasser aus einer unterirdischen Zisterne. Zwar ist Venedig von reichlich Wasser umgeben und durchflossen, doch das ist, durch die Vermischung mit dem Meerwasser der Adria, salzig. So hat man dieses rafinierte System von abgedichteten Sammelbehältern entwickelt, die sämtliches Regenwasser der umliegenden Straßen, Plätze und Gebäude aufnehmen und von wo man, nach öffnen des stets gut verschlossenen schweren Eisendeckels, frisches Trinkwasser entnehmen konnte.