Vorab: 2011 bin ich zum ersten Mal mit DFDS-Seaways von Amsterdam nach Newcastle upon Tyne gereist. Dabei sind die meisten der nachfolgenden Fotos und der Text entstanden. Da mir diese Reise so gut gefallen hat, habe ich sie in den vergangenen Jahren mehrmals wiederholt. Auch dabei sind Fotos entstanden, die ich an einigen Stellen nachträglich eingefügt habe. Dies ist im Untertitel mit der Jahreszahl entsprechend vermerkt.
Newcastle? Warum Newcastle? Nun, warum denn nicht! Im Ernst, da ich gerne mit dem Schiff fahre, bin ich immer auf der Suche nach reizvollen Verbindungen. Als ich im Internet auf die DFDS Seaways-Passage Amsterdam - Newcastle upon Tyne gestossen bin, gab es nicht viel zu überlegen. Der Abfahrtshafen in Ijmuiden, auf der Höhe von Amsterdam gelegen, ist nicht wirklich weit entfernt von meiner Heimatstadt Düsseldorf und so wurde ein Mittwoch Anfang Mai 2011 ausgekuckt und los ging es in eine bizarre Hafenwelt, wo auf einer Landzunge, umgeben von Industrieanlagen, die "King Seaways" schon bereit stand.
Das Denkmal für die Fischer von Ijmuiden wird, wie man sieht, gerne auch als Rastplatz von unseren gefiederten Freunden benutzt. Gut für die Vögel, daß sich die Bronze nicht wehren kann.
Das Fährterminal von DFDS-Seaways. Die LKWs müssen alle noch mit.
Pünktlich um 17.30 Uhr legte die Fähre ab und brachte mich über Nacht nach Newcastle upon Tyne.
Ordentlich Dampf macht das riesige Stahlwerk des indischen TATA-Konzerns im Hafen von Ijmuiden.
An der Hafenausfahrt hat sich eine Ferienhauskolonie angesiedelt. Im Hintergrund steht eine große Bohrinsel in Höchststellung. Ijmuiden ist auch ein wichtiger Versorgungshafen für die niederländischen Ölplattformen in der Nordsee.
Ein letzter Blick auf die dampfenden Schlote und schon glitt das Schiff auf das offene Meer hinaus. Zeit für eine Inspektion unter Deck. Zahlreiche gastronomische Angebote und einige Einkaufsmöglichkeiten bitten um Aufmerksamkeit.
Auf geht's, über Nacht nach Newcastle!
Nach einer üppigen Mahlzeit im gemütlichen Buffetrestaurant und einer ruhigen Nacht an Bord bin ich pünktlich um 9 Uhr Ortszeit im Nordosten Englands angelandet. Nachdem das Schiff ein ordentliches Stück die Tynemündung hinaufgefahren war, legte es am modernen DFDS-Fährterminal an. Direkt am Anleger standen schon zahlreiche Doppelstockbusse bereit und freundliche Einweiser nahmen die Reisenden in Empfang. Schon nach etwa 20-minütiger rasanter Fahrt erreichte ich das Stadtzentrum von Newcastle. Die Bushaltestelle befindet sich direkt gegenüber vom Hauptbahnhof.
Das historische Herz von Newcastle wird nach dem Baumeister Richard Grainger "Grainger Town" genannt. Dieser hatte im 19. Jahrhundert große Teile des Stadtzentrums im neoklassizistischen Stil neu errichten lassen. Auf hohem Sockel und noch höherer Säule hat man dem zweiten Earl of Grey, Charles Grey, ein Denkmal gesetzt. Weniger wegen dem nach ihm benannten aromatisierten Schwarztee, sondern wegen seiner politischen und diplomatischen Leistungen über mehr als ein halbes Jahrhundert. Auf dem Sockel finden sich die lobenden Worte vom beständigen Anwalt für den Frieden und vom beharrlichen und furchtlosen Kämpfer für Menschenrechte und Religionsfreiheit.
Newcastle upon Tyne ist zwar nicht, wie Rom, auf sieben Hügeln erbaut, aber dafür hat es sieben Brücken, die den Fluß überspannen und die Stadt mit der Nachbargemeinde Gateshead verbinden. Jüngste Querung ist die Gateshead Millennium Bridge von 2001, deren Fußgänger- und Radfahrerweg angehoben werden kann, um Schiffen die Passage zu ermöglichen. Dabei senkt sich der steil aufgerichtete Bogen zum Teil nach links und hievt damit über starke Seile die andere Hälfte in die Höhe.
The Baltic, ein ehemaliges Mühlengebäude am Ufer des Tyne, wurde zu einem großen Kunstmuseum umgebaut.
Ebenfalls am Flußufer in Gateshead liegt die Konzert- und Veranstaltungshalle "The Sage", was auf deutsch "Die Raupe" bedeutet und nach dem Hauptsponsor, der Softwarefirma Sage Group, benannt ist. Foster und Partners haben das sehr eindrucksvoll in Stahl und Glas umgesetzt.
Die niedrige rot/weiße Swing Bridge ist zugleich die älteste der heute vorhandenen Flußquerungen. Sie wurde 1876 eröffnet und kann, durch einen mit elektrischen Pumpen angetriebenen hydraulischen Mechanismus, um 90 Grad in die Flußmitte geschwenkt werden um Schiffe durchfahren zu lassen. Davor, mit dem hochaufragenden grünen Stahlbogen, steht die Tyne Bridge von 1928 mit ihren imposanten Brückentürmen. Im Hintergrund, in grau, die von Robert Stephenson gebaute High Level Bridge von 1849, auf der oben die Eisenbahn fährt und darunter Fußgänger den Fluß überqueren können. In Blau schließlich die Queen Elisabeth II Bridge für die Stadtbahn, von ihrer Namensgeberin 1981 für den Verkehr freigegeben.
Newcastle hat einige schöne historische Einkaufspassagen, individuelle Geschäfte und riesige moderne Shoppingmalls. Da ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Mein Favorit ist Grainger Market. Im Rahmen der Stadterneuerung des 19. Jahrhunderts als Fleisch- und Gemüsemarkt errichtet, war diese Markthalle, wie das ganze umliegende Stadtzentrum, Anfang der 1990er Jahre stark heruntergekommen. Dank enormer finanzieller Anstrengungen konnte zwischen 1997 und 2003 Grainger Town restauriert und die zwischenzeitlich abgewanderten Geschäfte und ein Gutteil der Bewohner in das Stadtzentrum zurückgeholt werden. Die Markthalle bietet heute einen interessanten Mix aus nostalgischem Anbiente und modernem Warenangebot.
Die kleinste Verkaufsstelle der in ganz Großbritannien verbreiteten Kaufhauskette Marks & Spencer findet sich im Grainger Market.
Im Grainger Market kann man nicht nur den täglichen Einkauf erledigen, sondern auch prima ein "Full English Breakfast" einnehmen. Dabei kommt man sehr schnell mit den Einheimischen in Kontakt, die, wie eigentlich überall in Großbritannien, freundlich und hilfsbereit sind und stets mit dezentem Stolz auf ihre Heimatstadt reagieren. Man muß sie nur darauf ansprechen.
Der ältere Mann mit dem hellblauen Hemd und der beigen Jacke, der so gezielt in meine Richtung schaut, sprach mich kurz darauf an, ob ich gerne ein Foto von mir hätte vor dem Hintergrund des historischen Grainger Market, wofür er sich selbstverständlich als Fotograf zur Verfügung stellen würde. Als ich seine Frage ob ich aus Deutschland käme bejahte, erzählte er mir, daß er einige Jahre als Butler in einem Schloßhotel bei Frankfurt am Main gearbeitet hat und das dies die beste Zeit seines Lebens gewesen sei. Ich habe ihm erzählt, daß ich mit dem Schiff aus Holland gekommen bin und es freute ihn sehr, daß Touristen seine Heimatstadt besuchen.
Überall in England gibt es nicht nur köstliche Sandwiches, sondern die mindestens ebenso köstlichen Pies und Pasties. Meistens herzhaft gefüllt und schön heiß serviert, sind diese gefüllten Blätterteigpasteten ein nahrhafter Imbiß.
An seine große Vergangenheit als Stadt der Kohle, des Stahls und des Eisens erinnern die Schneidwaren in den kleinen Glasvitrinen des Grainger Market.
Wenn man am Hauptbahnhof in Newcastle den Shuttlebus von DFDS-Seaways verläßt, befindet man sich bereits sehr zentral im Stadtzentrum von Newcastle. Von hier aus kann man leicht zu Fuß die interessanten Punkte in der Innenstadt ablaufen. Schauen wir uns ein wenig um.
Black Gate, Teil der imposanten mittelalterlichen Stadtmauer.
Nette Geschichte am Rande: der ältere Herr, der sich noch schnell aus dem Bild schleichen will, sprach mit kurz darauf an, ob ich denn wüßte, was ich da gerade fotografiert hätte. Es folgte eine Kurzbeschreibung mittelalterlicher Festungsbaukunst und, weil ich ihm sagte ich müsse auf die andere Flußseite zu meinem Hotel, begleitete er mich noch über die eindrucksvolle High Level Bridge (siehe Bilder weiter oben) und erklärte mir dabei die Ingenieurleistung ihres Erbauers Robert Stephenson. Am anderen Ufer angekommen machte er blitzartig kehrt, verabschiedete sich freundlich und wünschte einen angenehmen Aufenthalt, er müsse sich nun sputen, denn seine Frau warte bereits mit dem Essen auf ihn.
Einem großen Sohn der Stadt, George Stephenson, der 1781 in einem kleinen Weiler bei Newcastle geboren wurde, hat man, sinnigerweise beim Hauptbahnhof, ein Denkmal gesetzt. Stephenson, Lokomotivkonstrukteur und Eisenbahnpionier baute im 19. Jahrhundert bedeutende Eisenbahnstrecken in England, Belgien, Holland, Frankreich, Deutschland und Spanien. Zusammen mit seinem Sohn Robert hat er wegweisende Entwicklungsarbeit für den Schienenverkehr geleistet.
Auch eine chinesische Gemeinde gibt es in Newcastle. Der Eingang nach "Chinatown" wird von diesem gewaltigen Tor markiert. Zahlreiche chinesische Geschäfte, Restaurants und Büros säumen Stowell Street und ihre Seitenstraßen. Im Hintergrund des Tores sieht man das große St. James' Park Fußballstadion, Heimat des Newcastle United Football Club.
Schrullige Typen findet man überall im Stadtbild, aber die Menschen sind, wie ich es bisher überall in Großbritannien erlebt habe, stets freundlich und offen und zeigen dem geneigten Touristen gerne und mit dezentem Stolz ihre Heimat.
Ich sage "Good Bye" euer Lordschaft und verspreche mit mehr Zeit wieder zu kommen, da es in dieser Stadt und darum herum noch viel mehr zu entdecken gibt. Von Newcastle upon Tyne ist man z.B. in 90 Minuten mit dem Zug im schottischen Edinburgh, ein weiteres Wunschziel auf meiner Reiseliste.
Sicher vertäut liegt die Fähre zur Abreise bereit.
Gleich hinter dem großen Autotransporter, der aufgrund des geringen Tiefgangs seine Ladung vermutlich bereits abgeliefert hat, legte die DFDS-Fähre ab und brachte mich, wieder über Nacht, zurück nach Ijmuiden.
Die Ufer des Tyne sind bis zu seiner Mündung in die Nordsee von zahlreichen Neubauten flankiert. Auch hier finden sich Öl- und Gasbohrinseln in Überholung, die nach getaner Arbeit wieder in die rauhe offene See geschleppt werden.
Wer nun auch Lust auf eine Reise nach Newcastle upon Tyne bekommen hat, der findet hier
https://www.dfds.com/de-de/passagierfaehren/minikreuzfahrten/england/minikreuzfahrt-nach-newcastle
oder, wenn es etwas länger sein darf, hier
https://www.dfds.com/de-de/passagierfaehren/angebote/england/kurztrip-newcastle
alle wichtigen Informationen und kann auch gleich buchen.
Viel Spaß und gute Reise!